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AutorenbildRichard Altorfer

Dieser Bundesrat ist eine Schande!

Nur der Bundesrat? Na ja, vermutlich nicht nur.


Eigentlich ist eine Pandemie ja reine Mathematik. Wenn man erst einmal die Morbidität kennt, den R-Wert, also die Verdoppelungsrate der Infektionen, die Hospitalisationsrate, die Letalität usw., dann kann man – in Abhängigkeit von den Vorsichtsmassnahmen, die die Bevölkerung freiwillig, auf Anordnung oder zwangsweise trifft – den gesamten Verlauf ziemlich genau vorhersagen. Das Virus ist berechenbar und verzichtet auf Überraschungen. Überraschungen bieten eigentlich nur die Politiker. Sie verhalten sich wie bei jeder (politischen) Krise. Nur, eine Viruspandemie ist eben keine politische Krise. Dumm, aber so ist es. Man kann mit dem Virus nicht diskutieren, es nicht umstimmen, nicht ködern mit Goodies hier, nicht ängstigen mit Drohungen dort, nicht auf Vernunft und Einsicht oder wenigstens auf vernünftige Berater setzen. Das Virus bleibt, was es ist: ein völlig einfallsloses, nur einem einzigen Gesetz gehorchendes Virus. Und deshalb, immerhin, zum Glück, ausrechenbar.


Rechnen, das ist Aufgabe der Virologen, Epidemiologen und Mathematiker. Das Resultat sind Kurven und ziemlich genaue Vorhersagen. Die Politiker? Die sagen (es ist Mitte Dezember, Weihnachten und Neujahr stehen vor der Tür): Man muss dringend sechs Monat nach der zweiten Impfung boostern (eine Auffrischimpfung setzen). Sie sagen auch (begründungsfrei): Aber keinesfalls vor Ablauf des sechsten Monats. Und sie schätzen: Wir müssen – dringend – etwa drei (eigentlich eher vier) Millionen Menschen boostern, um für die Omicron-Welle, die ab Januar droht, gewappnet zu sein. Rechne: Man impft täglich etwa 50'000 Menschen. Wenn’s drei Millionen sein sollen, braucht man dafür ca. 60 Tage. Sofern an Heiligabend und Silvester durchgeimpft wird und sich alle auch wirklich anmelden. Alle Widrigkeiten berücksichtigt, können daraus locker 80 Tage werden und bei vier Millionen zu Boosternden sogar 100 bis 120 Tage: ca. vier Monate. Die Boosterung wäre dann etwa Mitte April 22 durch. Viel zu spät für die Omicron-Welle, die die im Januar noch nicht Geboosterten übel treffen wird. Das sind etwa zwei bis drei Millionen doppelt Geimpfte – nebst etwa einer Millionen weiterhin ungeimpften Erwachsenen. So ab anfangs März werden daher – wer rechnen kann und will, rechnet, wer nicht will, lässt sich «überraschen» – ziemlich viele ins Spital eingewiesen werden, rund 0,6 Prozent ungeimpfte Infizierte daran sterben (nein, das ist, in Prozenten, nicht viel, in absoluten Zahlen aber doch; man rechne: 0,6% von 1 Million – falls sich alle infizieren würden – wären… na ja, läppische oder erschreckende, wie man will, 6000, innert etwa drei Monaten, ungefähr). Bei den doppelt Geimpften sind’s prozentual deutlich weniger und bei den Geboosterten nur noch vereinzelte. Total gegen 10'000 Tote, nicht Kranke! Alles Mathematik. Natürlich wird’s nicht ganz so schlimm kommen, weil die Menschen die Risiken sehr viel besser spüren als die Politiker sie berechnen und deshalb aus eigenen Stücken vorsichtig sein werden. Ausserdem haben die Ärzte dazugelernt und werden mehr Patienten retten. Also doch «nur» 3000 Tote? Egal. Zu viele auf jeden Fall.


Das Ärgerliche daran: Es liesse sich verhindern. Oder falsch: Es hätte sich verhindern lassen. Doch ist’s dafür leider bereits zu spät. Das wissen alle, die an Mathematik «glauben», seit vielen Wochen. Nur nicht der Bundesrat. Der wartet. Und wartet. Und zögert. «Mer wei zerscht emol luege (vilicht öb Mathematik in der Schwiiz glich tuet wie suscht uf der Wält, vilicht, öb’s Virus nid doch mit sich liess lo rede?)» Dieser Bundesrat, dieses BAG, diese Berater sind eine Schande. Eine Frechheit im Angesicht von all denen, die in den Spitälern arbeiten und allen Nicht-Covid-Patienten, die nicht adäquat behandelt werden können.


So, das war's wieder mal. Hilft ja eh nichts. «Führung» hat einen schlechten Ruf in der Schweiz, «Geschehenlassen» und Verantwortung andern übertragen ist einfacher und braucht keinen Mut. Feigheit wird ja auch nicht geahndet. Also lassen wir's halt geschehen.

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