Erinnern, aufarbeiten, sich schämen
- Richard Altorfer
- 17. März
- 3 Min. Lesezeit

Erweiterte Bock-Splitter vom 11. März 2025
Erinnern Sie sich, was Sie vor fünf Jahren machten, dachten, lasen, sahen, hörten? Kaum. Na ja, als Mediziner wohl doch. Schliesslich waren gewöhnlicher Alkohol und Sterilium plötzlich Mangelware. Ein wahrgewordener Witz. Unvorstellbar bis dahin. Es war der Beginn einer der verrücktesten Perioden im Leben der meisten Menschen. Am 27. Januar 2020 gab’s den ersten Corona-Fall in Deutschland: «Patient 1», am 15. Februar den ersten Toten in Europa: ein 80-jähriger Tourist aus China, der in Frankreich verstarb. Heute? Tempi (vorderhand!) passati.
Und wer war schuld an der fast vergessenen Pandemie? Fledermäuse? Flughunde? Marderhunde? Bill Gates? Unser Umgang mit der Natur? Das Schicksal? Oder doch ein schusseliger Laborant in einem Labor in Wuhan? Interessiert das überhaupt noch jemanden? Sollte es.
Einige interessiert’s schon. Sie wollen Corona «aufarbeiten». Gemeint ist allerdings nicht die wissenschaftliche, sondern die gesellschaftliche und politische Dimension. Klar, das kann man. Aber gibt es nicht eine ganz einfache Erklärung für das, was geschah, jenseits aller Liberalismuskritik und aller Verschwörungstheorien? Die einen hatten grosse, die anderen weniger Angst und Dritte und Vierte waren grundsätzlich ahnungslos oder prinzipiell dagegen – gegen Masken, gegen Shut downs, gegen Impfungen … und überhaupt. Dummerweise war die Angst fast nur bei den Älteren berechtigt – aber wer wusste das am Anfang schon? Es hätte auch eine Mutation geben können, die Kinder umbringt. Gab es aber nicht, weshalb die Weniger-Ängstlichen, die Ahnungslosen und die Gegner aus Prinzip sich (in ihren Augen zurecht) diskriminiert und gegängelt fühlten. Ja, die Ängstlichen (Alten) haben sich mit Staates Hilfe durchgesetzt. Das kann man übergriffig nennen. Oder übervorsichtig. Oder egoistisch. Dabei nützt es ja auch nichts, zu fragen, was wohl passiert wäre, wenn … es ist eben nicht passiert. OK, ein paar Millionen Tote, die statistisch über Jahre und Kontinente hinweg jedoch kaum auffielen. Jedenfalls hat Anders Tegnell, der berühmt-berüchtigte schwedische Epidemiologe, der die Schulen nicht hat schliessen, dafür die Alten ein bisschen hat krepieren lassen, kaum Kritik zu befürchten. Alle, die noch leben, sind zufrieden damit, wie er entschieden hat. Und die andern … – die sagen schon lange nichts mehr. Also denn – alles gut.
Manche schämen sich. Nicht weil sie Tesla fahren, sondern wegen Elon Musk. Für Menschen mit «Tesla-Shaming» gibt’s jetzt Abhilfe. Auf verschiedenen Foren kann man Embleme anderer Automarken kaufen, um «Tesla» zu ersetzen oder zu überkleben. Der eine empfiehlt «Horch» (eines der «Führer»-Autos) oder «Multipla» (gilt als das hässlichste Auto, es ruft Mitleidsgefühle hervor), der andere «Peel P50» (kleinstes und impotentestes Auto der Welt). Auch «e-Trabant» wäre eine Option.
Die Tesla-Verkäufe brechen grad weltweit ein und so manche posten hämische Kommentare. Frage einer Tesla-Besitzerin auf Facebook: «Freut ihr euch etwa, wenn es jemandem schlecht geht?» Die kürzeste Antwort: «Ja.» Die etwas differenziertere: «Bei Elon Musk? Ja!»
Stehen und denken Sie politisch eher rechts? Konservativ? Mitte? Oder links? Alles akzeptabel, es gibt für manches gute Gründe (für einiges eher nicht). Nur: Warum muss eigentlich, wer rechts der Mitte steht (umgekehrt gilt’s natürlich genau so), gleich alles gut du richtig finden, was «die Rechten» (oder umgekehrt «die Linken») vertreten? Muss man, nur weil Putin und Trump den De-facto-Zwang zu Wokeness mit allen Mitteln bekämpfen, Putin und Trump toll finden? Der eine agiert wie ein Dummkopf, der andere führt einen widerlichen Krieg. Ja, es stimmt: das Gendern geht auf den Geist, die Klima-Drangsalierer nerven, dass es mehr als zwei Geschlechter geben soll, versteht niemand, dass man für «Neger», «Zigeuner» und «Mohrenköpfe» geshitstormt wird, ist lachhaft bis unverschämt, über unkorrekte Witze lachen muss erlaubt bleiben, kulturelle Aneignung ist ein Produkt ideologischer Versumpfung, die Brüsseler Bürokratie darf man von Herzen hassen und die unkontrollierte Migration vor allem aus dem Islam gehört längst gestoppt. Alles gut. Aber muss man deswegen auch Dummheiten über Corona richtig finden, Kriegspropaganda verbreiten, evangelikale Verrücktheiten akzeptieren, die Wissenschaft den Kreationisten opfern, glauben, dass Zölle und Entlassungen den Armen nützen, «Oligarchen auf Ketamin» besser regieren als durchschnittliche Politiker, lügen sexy ist und Mangel an Empathie eine Tugend? Ist diese Einsicht zu viel verlangt: Einer kann in manchen (wichtigen) Fragen recht haben und trotzdem ein gefährlicher Irrer oder ein Verbrecher sein. Oder zumindest ein Trottel. Ja, auch die Brüsseler Bürokraten sind eine Gefahr, nur halt eine mit mächtigen krankhaften Narzissten nicht vergleichbare. Nochmals anders gesagt: Nicht immer ist der Feind meines Feindes ein Freund; er kann auch ein Arschloch sein.
Älterer Herr: Sie sind erst siebzehn? Gut möglich, dass Sie dereinst keine AHV mehr erhalten. – Teenie: Ach, ist mir egal, ich habe Paypal.
Und das meint Walti: Männer sind sehr gut im Aushalten von Schmerzen – solange es nicht die eigenen sind.
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