5. Mai 2020
Kari, weiterhin nachdenklich: Stimmt auch in Zeiten von Corona: Man kann in Daten ertrinken und trotzdem nach Informationen dürsten.
Wer liebt sie nicht, die Verschwörungstheorien? Sie sind spannend, lustig, unterhaltend, erschreckend, bestätigen eigene Vorurteile, man muss sie nicht beweisen, Mutmassungen genügen völlig, sie könnten theoretisch fast alle wahr sein, jede zehnte ist es vermutlich sogar (das ist ja das Faszinierende daran), sie liefern unendlich Gesprächsstoff, erzeugen Solidarität unter Gleichdenkenden – kurz: gäbe es keine, man müsste sofort welche erfinden.
Eine der ältesten Verschwörungstheorien ist die der Brunnenvergiftung: Während der Pestepidemien im 14. Jahrhundert wurde Juden und anderen Randgruppen vorgeworfen, sie hätten durch die Vergiftung der öffentlichen Brunnen die Seuche verursacht, um die Christen auszurotten. Könnte Ihnen bekannt vorkommen, oder? Bill Gates hat das Virus – zusammen mit den Chinesen? – entwickelt, gleichzeitig mit einem Impfstoff, den er demnächst den Menschen gegen teures Geld verkaufen wird, so dass er endlich der reichste Mann der Welt würde. Ja mei, das tönt zwar nicht nach der zehnten Theorie, die tatsächlich wahr ist, aber ehrlich gesagt: vielleicht war’s ja nicht Bill Gates, sondern ein chinesischer Milliardär, und sein Ziel war nicht, einen Impfstoff anzubieten, sondern die westliche Wirtschaft zu schwächen. Das tönt doch schon um ein Promille weniger aberwitzig. Noch ein Promille und noch ein Promille weniger und irgendwann landen Sie bei einer Theorie, die nicht einmal Sie für total unmöglich halten. Ist das Virus vielleicht doch bei einem Unfall im virologischen Labor in Wuhan entwichen, in dem biologische Kampfstoffe entwickelt und getestet wurden? Sehen Sie. Nichts ist am Ende irrwitzig genug, um nicht für möglich gehalten zu werden!
Die frivole Gisela: Eine gute Nachricht: ich bringe den obersten Knopf meiner Jeans wieder zu. – Ihre Freundin: Und die schlechte Nachricht? – Ich habe die Jeans gar nicht an.
In der Schweiz ist es wie immer: Ob Kinder das Coronavirus übertragen oder nicht, ist von Kanton zu Kanton verschieden. (Und in der Schweiz auf jeden Fall anders als im Rest Europas. Soviel Sonderlfall muss sein.)
Unter dem Titel «The smell may be hell but the mist could leave you pissed» diskutierten australische Ärzte ernsthaft darüber, ob furzen ein Ansteckungsweg für Coronaviren sein könnte. Hintergrund ist die Frage, ob mit dem abgehenden Wind auch Teile von Fäzes (sh**) mit weggewindet, in der Luft verteilt werden und sich schliesslich auf den Schleimhäuten von in der Nähe Stehenden absetzen könnten. Der Rat eines eher amüsierten Dr. Swan: «Wichtig ist, nicht nackt zu furzen.» Und weiter: «Zum Glück tragen wir hinten ja permanent «Masken»: Unterhosen, Hosen und andere Kleidungsstücke. Ausserdem empfiehlt es sich, auch ausserhalb von Coronazeiten, nicht in der Nähe anderer und vor allem nicht «blutt» Winde abzulassen.» Ist bei uns – ausser im intimen Zuhause – zum Glück ja auch nicht die Regel.
Aber jetzt mal etwas anderes als immer nur Corona. «Sich eine andere Meinung anzuhören, muss weh tun – sonst ist es keine andere Meinung.» (sagte einst Markus Somm in der BaZ). Recht hat er, aber leider vertragen manche Zeitgenossen Schmerzen nur schlecht. oder haben nicht immer eine Schmerztablette zur Hand.
Herr Winter (vielleicht auch Sommer) leidet an Doromanie. Sie leiden nicht daran, oder? Es ist die Sucht, dauernd und wahllos irgend jemandem ein Geschenk zu machen. Schön für die Freunde und Bekannten von Doromanen. Im Gegensatz dazu steht die Oniomanie. Die dürfte Ihnen – nur von Freund(inn)en her natürlich – eher bekannt sein: die exzessive Lust am Shoppen. Kann genau so teuer zu stehen kommen wie die Doromanie. Und ins Verderben führen, wenn die beiden Süchte kombiniert vorkommen. Häufiger noch als die Doro- ist allerdings die Doxomanie: die Sucht nach Ruhm, die, so scheint’s, eine ganze Generation befallen hat, die «Generation Casting». Journalisten und ähnliche Berufsgruppen kennen aber auch die Paradoxomanie. Es ist das unwiderstehliche Bedürfnis, aussergewönliche bis absonderliche (eben: paradoxe) – manchmal auch bloss «verrückt» formulierte, aber durchaus richtige – Meinungen zu vertreten. Paradoxomane sind das Salz in der Suppe für (fast) alle Zeitungsmacher. Was wären die Medien ohne Impfgegner, ohne Chemtrail-Warner, Pizzagate-Enthüller, Bilderberg-Verschwörer, Roswell-Aufklärer, Umvolkungsverängstigte und … ganz aktuell: Corona-Komplott-Gläubige?
Nicht jede Kritik ist gleich wertvoll oder gleich verwerflich. Einen Menschen kritisieren, weil er eine andere Hautfarbe hat, ist Rassismus. Einen Menschen kritisieren aufgrund seines Geschlechts, ist Sexismus. Einen Menschen kritisieren aufgrund seiner Ideologie ist hingegen oft … genau: Aufklärung. Leider kann Facebook das alles nicht unterscheiden. Und so kommt es, dass Facebook und Twitter nicht nur Rassisten und Sexisten sperren, sondern viel zu häufig auch Aufklärer. Aber vielleicht sollten wir nachsichtig sein mit den modernen Social-Media-Zensoren. Nicht einmal wir schaffen es immer (und vielleicht wollen wir’s manchmal auch gar nicht), den Unterschied zu sehen.
Der dumme Spruch am Ende: Nur Minderbegabte halten andere für minderbegabt.
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