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Altorfers Splitter – 2.11.2020


Kari, mit Blick auf sein Handy: Die Nachricht, die wir uns in unserer WhatsApp-Gruppe alle wünschen: «Das Coronavirus hat die Gruppe verlassen.»


Nach einem rechtsextremen Mord ist Verlass auf linke Empörung in den sozialen Medien. Auf einen islamistischen Mord hingegen folgt Stille. Und selbst im Vatikan herrschen nur unverbindliche Betroffenheit und peinliches Vermeiden des Wortes Islam.


In unserer Jugend wünschten sich die Alten zum Geburtstag «Silberfäden» von Vico Torriani. Heute verlangen sie nach «Me and Bobby McGee» von Janis Joplin.


Man kommt sachlich nicht weiter­ bei Menschen, denen es nicht um die Sache geht. Es gibt Menschen, die wollen nicht reden. Die wollen wütend sein. Auf etwas oder jemanden. Man kann nicht mit Islamisten reden, nicht mit linken und rechten Extremisten, nicht mit Verschwörungsschwurblern und nicht mit Facebook-Pöblern. Es geht ihnen nicht um Diskussion, sondern ums Wütendsein an sich. Wobei, zugegeben, es auch «normalen» Leuten manchmal gut tut zu motzen – über Zustände, unfähige Politiker, gierige Manager, den nervigen Nachbar. Der Unterschied zu Extremisten: bei einem guten Glas Wein denken die wieder «normal».


Kein Kompliment, wenn auf dem Grabstein steht: «Er lebte still und unscheinbar. Er starb, weil es so üblich war.»


Corona bringt so Vieles hervor. Hoffnung zum Beispiel. Die Hoffnung, dass das Virus von selber verschwinde. Oder dass man schon bald einen Impfstoff dagegen habe. Nun ja, hoffen darf man immer. Die christliche Lehre jedenfalls zählt die Hoffnung zu den Tugenden, wie Glaube und Liebe. Sie kommen zu den vier antiken Tugenden Klugheit, Besonnenheit, Mut und Gerechtigkeit hinzu. Bei den alten Griechen spielte die Hoffnung allerdings eine besondere Rolle. Auf Weisung Zeus‘ hatte Hephaistos die Pandora geschaffen, als Strafe für die Menschheit wegen des von Prometheus gestohlenen Feuers. Zeus wies Pandora an, den Menschen eine Büchse zu schenken, die keinesfalls geöffnet werden dürfe. Doch Pandora selber (typisch!) öffnete die Büchse (eigentlich war’s ja ein Vorratskrug, aber Übersetzer machten daraus eine Dose – na ja). Schwupps entwichen aus ihr alle Laster und Übel und so kam das Schlechte in die Welt. Knapp bevor auch die Hoffnung entweichen konnte, wurde die Büchse wieder geschlossen, so dass die Welt ein trostloser Ort wurde. Merkwürdige Geschichte. Warum kennen die Menschen die Hoffnung trotzdem? Einige sagen, die Büchse sei ein zweites Mal geöffnet worden. Friedrich Nietzsche hatte eine ganz eigene Erklärung. Die Hoffnung, egal wie sie aus der Büchse gelangte, sei jedenfalls auch ein Laster, sogar das grösste von allen. Zeus wollte mit der Hoffnung erreichen, dass die von all den Übeln gequälten Menschen das Leben nicht wegwerfen, sondern fortfahren, sich immer von Neuem quälen zu lassen. Mögen die kommenden Coronamonate uns lehren, dass Nietzsches Erklärung nicht die richtige war. Obschon und andererseits …


Der dumme Spruch am Ende: Umgangsformen sind Formen, die von vielen umgangen werden.

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