Was mach ich nur mit meinen Freunden von der konservativen, eher rechten Fraktion, mit denen ich vor Corona so oft gleicher Meinung war? Wenn’s um die EU ging, um Selbstverantwortung, um Migration, um den steuergiggerigen Gängel- und Verteilstaat und vieles mehr. Seit dieses Virus unser Leben, unsere Diskussionen, unsere Psyche und unsere Ferienpläne bestimmt verstehe ich manche Freunde – virtuelle wie physisch präsente, echte wie unechte, alte wie junge – nicht mehr. Liegt’s an mir? Kann ja sein. Vielleicht ist ja wirklich alles übertrieben, was der sorgende Staat so anordnet zu unserem Schutz vor dem Corona-Virus. Vielleicht sterben ja tatsächlich nicht mehr Leute an Covid-19 als an einer gewöhnlichen Grippe. Vielleicht gehöre ich ja auch bloss zu den «Verängstigten», gehe den Panikpropagandisten auf den Leim und bin grad daran, mir freiwillig meine Freiheit nehmen zu lassen. Natürlich bin ich überzeugt, dass dem nicht so ist, aber … so ganz sicher zu sein, hat sich auch schon als Fehler herausgestellt. Und schliesslich kostet uns ja tatsächlich nicht das Virus selber einen Teil unseres Wohlstands und gewisse Freiheiten, sondern die verordneten Schutzmassnahmen sind’s. Wenn wenigstens die Virologen und Epidemiologen sich einig wären – sind sie aber auch nicht. Oder nur fast.
Sollen wir wirklich beim Symbolträchtigsten und doch Banalsten beginnen, bei den Masken? Ich weiss nicht. Ist das Tragen einer Maske wirklich eine Zumutung? Beim Assistieren im Operationssaal (bei längeren Operationen durchaus schon mal drei, vier Stunden) habe ich jedenfalls nie einen Chirurgen klagen hören und ich kenne keinen, der deswegen psychisch geschädigt aus dem Operationssaal gewankt wäre. Gut, Chirurgen waren schon immer etwas eigen, aber an den Masken liegt das eher nicht. Ausserdem können Masken in gewissen Fällen überaus gnädig sein, weil allerlei Unappetitliches verhüllend. Sorry, schlechter Scherz. Im Ernst, es gibt Menschen, im Spital und anderswo, die tragen acht Stunden täglich eine Maske und bleiben normal und gesund. Ist es nicht eher so: Maske verweigern ist eine überaus simple, völlig kostenlose, hochgradig symbolisch gewordene Handlung und Haltung, ein Protest mit minimstem Aufwand, den sofort jeder sieht: ich nicht folgsames Schaf, ich mutiger Verweigerer.
Bin ich verängstigt? Na ja, geht so. Ich leide jedenfalls weder an Agora-, noch an Arachnophobie, nicht an Gyno- und nicht (mehr) an Kynophobie, auch nicht an Photo- oder an Phobophobie. Warum also an Coronaphobie? Nein ich habe keine Angst. Oder doch schon, ein bisschen: an Covid-19 möchte ich jedenfalls nicht erkranken. Die Chancen, da heil, also ohne anschliessende Herz-, Nieren-, neurologische oder psychische Schäden, raus zu kommen, sind schliesslich nicht so toll gross. Nicht einmal für jüngere als ich es bin. Vielleicht haben meine eher sorglosen Freunde das noch nicht gemerkt, kennen keinen, dem es passiert ist oder sind so jung, dass ihr Risiko eh um 50 Prozent kleiner ist. Klar, wenn ich noch Teenie oder Twen wäre, stünde mir der Sinn vermutlich auch eher nach Party und Geselligkeit und der Corona-Schei** kümmerte mich weniger. Aber es gibt auch 60-, 70-, 80-Jährige, denen die Kranken- und Sterbestatistiken keinen Eindruck machen. Weil sie die Infektions- und Epidemie-Statistiken und Kurven nicht verstehen? Nicht verstehen wollen? Oder ganz grundsätzlich, weil uns Menschen etwas Wesentliches fehlt: ein sechster oder meinetwegen siebter Sinn für Wahrscheinlichkeiten? (Das habe ich eh mein Lebtag nicht verstanden, dass uns die Natur nicht mit einem Sinn für Statistik ausgestattet hat. Der wäre äusserst nützlich; wir fürchteten uns dann weniger vor den seltenen und mehr vor den wahrscheinlichen fatalen Ereignissen. Mit unserer sinnenmässigen Fehlausstattung tun wir nicht selten das Gegenteil.) Würden meine älteren, aber auch die jüngeren Freunde tatsächlich in ein Flugzeug einsteigen, wenn sie wüssten, dass jedes zehnte crashed und Dutzende Verletzte produziert und jedes Hundertste gar abstürzt und niemand überlebt? Ich würd’s nicht tun, auch wenn mir deswegen Jobverlust oder Ferienverbot drohte. Sicher, einige Junge würden’s wohl trotzdem wagen – der Adrenalinkick soll ja unempfindlich machen gegen rationales Denken. Und für einen 85-Jährigen, der fände, er habe sein Leben, ein gutes Leben, gelebt und werde sich nicht von einem Absturzrisiko von 1 Prozent den Besuch bei seinen Kindern und Enkeln vermiesen lassen, hätte ich auch noch Verständnis. Aber würde er auch tatsächlich einsteigen? So sicher bin ich mir da nicht. Oder kann man die beiden Risiken gar nicht miteinander vergleichen? Gute Frage – warum eigentlich nicht? Nein, klar, kann man nicht.
Doch die Angst vor Krankheit ist ja nicht das Einzige, das so manchem und mancher meiner Freunde und Freundinnen abgeht. Sie fühlen sich von Maskenpflicht, Abstandsgebot, Quarantäne, Versammlungsverbot und den damit verbundenen Konsequenzen nicht etwa geschützt, sondern ihrer Freiheit beraubt. Von einem Staat, von Behörden und Fachleuten, denen ich unter normalen Umständen genauso misstraue wie sie. Warum nur nicht in diesem Fall? Und wenn, dann grad anders herum? Die Herren Koch und Berset haben mich zu keinem Zeitpunkt überzeugt – damals, als keiner genau wusste, ob wir mit Hunderten, Tausenden oder Zehntausenden von Toten rechnen müssen, wenn die Pandemiezahlen wirklich exponentiell ansteigen: zu zögerlich, mutlos, nicht willens, Vorhersagen zur Kenntnis zu nehmen und anzuordnen, was notwendig gewesen wäre, kurz: «ohne Eier», anders als zum Beispiel der tendenziell doch eher androgyne Sebastian Kurz, der viel früher die richtigen Entscheide traf und Österreich dementsprechend besser hat dastehen lassen. (Sogar der schwedische Epidemiologie Tegnell hatte mehr «Eier», obschon sie ihn am Ende in die Irre leiteten (vermutlich) – aber bei wem tut zuviel Testosteron das schon nicht?)
Meine Corona-kritischen Freunde hätten den Lockdown viel früher beendet und würden die Lockerungen auch heute noch viel weiter treiben als unsere und der meisten Länder Taskforces. Sie nerven sich über den Alarmismus von Regierungs- und anderen -räten und -rätinnen. Vielleicht weil sie an die genuine Vernunft der Leute glauben. Oder etwa an ein die neutrale Schweiz als Sonderfall betrachtendes und deswegen uns Helvetiern friedlich gesonnenes Virus? (Schliesslich sind wir ja auch fast ohne Tote durch den Zweiten Weltkrieg gekommen.) Nein, ich vermute, sie sind überzeugt, das bisschen Lockerung würde letztlich am Verlauf der Pandemie nichts ändern. Das Schicksal, so spekulieren sie, waltet mit oder ohne Viren; die zwei, drei Personen, die zusätzlich sterben, wären früher oder später ohnehin gestorben. Ich stutze: Haben sie recht? 90-jährige krebskranke Pflegeheimbewohner hätten wohl tatsächlich nicht viel länger überlebt und starben womöglich tatsächlich eher «mit» als «an» Covid-19. Andererseits: So häufig sind moribunde coronapositive 90-Jährige nun auch wieder nicht, dass sie statistisch ins Gewicht fielen. Ausserdem: sehen die Leute nie fern? Und wenn, dann nur RTL II? Stellen sie nie CNN ein, lesen keine Berichte aus Indien, dem Irak oder schauen sich Bilder an aus Südamerika oder auch nur aus Kroatien? Dort sind die Infektionsunterschiede zwischen Orten, an denen die Jugend Europas die heissen Nächte quietschend, tanzend, alkoholisiert und maskenlos durchgefeiert hat und Gegenden, in denen Familien mit Kindern in Ferienhäusern oder auf Campingplätzen Urlaub machen, nicht gross, nein, sie sind riesig. Macht nichts, sind ja nur gesunde Junge, die sich gegenseitig coronisieren? Doch, macht schon was. Die infizierten Jugendlichen fahren wieder nach Hause, nach Deutschland, Italien, Österreich, in die Niederlande, die Schweiz, und lassen dort die Zahl der Neuinfektionen rasant ansteigen – mit überaus teuern Folgen (nebst mehr Toten und Kranken auch Schulschliessungen, örtliche Lockdowns, peinliche Reisewarnungen aus Belgien, England usw.).
Wie bitte? Ach so, die zu erwartende Frage: Wo sind die Toten? Die Intensivstationen bei uns sind doch leer, die Spitäler könnten sogar Kurzarbeit beantragen. Stimmt, die ganze Diskussion wäre viel einfacher, wenn die Intensivstationen überquöllen. Tun sie aber nicht. Sehr zum Bedauern mancher Corona-Hardliner, die, so will einem scheinen, geradezu liebäugeln mit der Option, dass es mal wirklich eine Zeit lange «chläpperet» in den Spitälern, damit die Leute endlich glauben, was für ein Killer das Coronavirus ist. Passiert aber nicht. Das Virus gibt sich – oder ist? – viel harmloser, als prophezeit. Nur, und dagegen ist vorderhand kein Kraut gewachsen: das epidemiologische Zauberwort heisst eben «noch». «Noch» liegen nur wenige Beatmungspatienten in den Kliniken (wobei: auch diesen wenigen und ihren Angehörigen geht es schlechter als wir’s je selber erleben möchten). Handeln in Zeiten der Pandemie ist immer präventiv, also zu Zeiten, wo «noch» nichts passiert oder auch nur zu sehen ist. Vorsicht und vor allem Voraussicht sind die Eltern der Testerei genau wie der Lüfterei. Denn: die jungen Infizierten besuchen ihre Eltern und es kommen Herbst und Winter und die Aerosole feiern Rambazamba in den ungelüfteten Stuben, Sitzungsräumen, Schulzimmern, und am Ende sterben dann doch die jungen Risikopatienten und die Älteren, oder wenn sie nicht sterben werden sie chronisch krank, nur weil wir heute – schon wieder, wie im Februar – zu wenig vorausschauend handeln. Unsinn? Ja, kann sein. Vielleicht hat bis Weihnachten das Virus ja seine Aggressivität tatsächlich abgelegt und vielleicht gibt’s doch schon früher eine Impfung oder ein wirksames Medikament. Vielleicht. Aber wahrscheinlich eher nicht. Und wenn die «Ängstlichen» doch recht haben? Dann hat das Virus vielleicht eine ganz üble Weihnachtsüberraschung für uns parat, ganz übel, und guter Rat ist dann sehr teuer und rasches Reagieren nur noch ein Witz und Bergamo war nur ein Vorgeschmack … Alles klar, soweit wird’s nicht kommen, die meisten von uns können ja zwei und zwei zusammenzählen und halten sich einigermassen brav an die wenigen verordneten «Massnahmen». Ob überflüssiger- oder klugerweise wird die Zukunft zeigen.
Noch eine Frage: «Die Massnahmen» (was immer man auch Miserabliges darunter subsummieren will) werden nicht nur bei uns getroffen. Sondern überall. Überall? Ja, fällt das nicht auf? Ausser Trump, Lukaschenko, Bolsonaro und ein, zwei unbekannte Regenten irgendwo auf einer Insel ist kaum jemand auf die Idee gekommen, nichts zu tun, nichts zu glauben, nichts zu fürchten und der Epidemie ihren Lauf zu lassen. Warum nicht? Weil sie die Clevereren waren und die Regierenden von 220 andern Staaten zu doof oder zu verdattert oder unter Druck von EU, Silicon Valley oder den Zionisten? Nee, ehrlich, das meint ihr nicht ernst, liebe Freunde. Oder? Regierende kümmern sich fast nirgends speziell um ihre Regierten, aber dieses TrumpLukaBolso-Dreigestirn treibt die Gleichgültigkeit gegenüber dem Volk nun wirklich auf die Spitze. Das hat in normalen Zeiten durchaus sein Gutes. Aber dieses Mal?
Ein bisschen, liebe Freunde unter der südlichen Sonne, fürchte ich, ist auch den Jungen in den Clubs im In- und Ausland das Gemeinwohl schei**- bzw. trumpegal. (Übrigens: «Superspreader» tönt dermassen sexy, irgendwie nach Formel-1-Sieg, dass es einen nicht wundern würde, wenn schicke, trendige, clubbige Superspreader ausgesprochen stolz wären auf ihren Status.) Den Clubbers geht es um Freiheit. Aber – OK, das ist eine Unterstellung – nicht um Freiheit in sozialem, politischem oder philosophischem Sinn, sondern um die derbe, plumpe Freiheit, genau das tun und lassen und genau so leben zu können, wie sie es hier und jetzt möchten. Natürlich kennen wir alle dieses Freiheitsbedürfnis. Aber ist das die Freiheit, die ihr meint, wenn ihr auf der Strasse gegen die behördlichen Einschränkungen protestiert? Auch nicht im Ernst, oder? Wir alle hätten wohl, um mit Gölä zu sprechen, «no viil blöder ta und hätte nüt an is verbii ga la», wenn wir in jungen Jahren gewusst hätten, dass wir alles schad- und straflos überstehen würden – aber doch nicht um jeden Preis, oder? Nicht wenn wir gewusst hätten, dass es anderen das Leben kosten kann. Oder täusche ich mich? Waren wir als Junge genauso sorg- wie rücksichtslos, ohne es zu merken? Kann schon sein. Vielleicht ist der Coronastreit ja tatsächlich nur und hautpsächlich ein Generationenkonflikt. Weil man die stärker gefährdeten Alten nicht vor den weniger anfälligen Jungen schützen kann, ohne entweder die Alten ein- oder die Jungen auszusperren (aus Clubs, Discos, Easyjet-Flugis). Jedenfalls die einen oder die andern zu drangsalieren. Vielleicht ist die Coronakrise einfach ein klassisches Dilemma. Es gibt nicht die Alternative zwischen einer guten und einer schlechten Lösung, es gibt nur schlechte, noch schlechtere und richtig miese Lösungen und wir müssen uns für eine davon entscheiden. Oder für mehrere gleichzeitig, was die Sache auch nicht besser macht.
Ach, liebe Freunde der rechten und meist richtigen Seite, ich bin ja froh, dass einige von euch das gleiche Unwohlsein und ähnliche Zweifel umtreiben. Unruhe muss einen tatsächlich überkommen, wenn man in Betracht zieht, dass der unmögliche Herr Lauterbach, ein deutscher SPD-Politiker und zufällig Mediziner, das eine und andere – und sei’s das erste und einzige – Mal in seiner Karriere recht hat. Wenn man es für möglich hält, dass bürgerliche Politiker (jedenfalls die ohne Regierungsverantwortung) die Kritik an der Coronapolitik nur deshalb so intensiv pflegen, weil es polittaktisch und im Hinblick auf Wahlen und die Mobilisierung von Protestwählern grad Sinn macht? Fast am befremdlichsten aber: Kann und darf es sein, dass die dauermoralisierenden Mainstreammedien, die sich tagtäglich dabei erwischen lassen (müssen), wie sie unangenehme Wahrheiten fussnotisieren und ideologisch genehme Fakten in Unendlichschleifen verpackt in Wort und Bild zwingen, um das widerspenstige Volk zu korrektem Verhalten und vor allem Denken zu erziehen, dass genau diese Medien und ihre logorrhoischen Aushängeschilder in Talkshows und Newsrooms ausnahmsweise nicht schummeln oder lügen? Ja, das alles passt mir auch nicht, ich hätte – wie alle andern auch – lieber meine Vor-Urteile bestätigt und tue mich schwer damit, den «Falschen» recht zu geben und den Rechten fehlende Einsicht und banalen Opportunismus zu unterstellen. Was bin ich froh, wenn die böse Pharmaindustrie endlich einen Impfstoff entwickelt hat, der Menschen rettet und Arbeitsplätze schafft, wenn Junge und Alte wieder friedlich aneinander vorbeileben können, wenn die Übel der Migrations- und der mitgelieferten Religions- und Sozialpolitik wieder Hauptthema werden. Wenn Corona also endlich vorbei ist.
Wenn – aber Moment, nur kurz noch. War grad die Rede von Impfstoff? Zum Glück trennt wenigstens in Sachen Impfstreit meine rechten Freunde nur selten etwas von mir, liegen viele von ihnen mit den esoterischen Coronaleugnern und den Impfgegnern, die ihre Kinder lieber dem 1:1000-Risiko einer Masernenzephalitis aussetzen als dem 1:5000-Risiko eines Hautausschlags als Impfnebenwirkung, doch genauso über Kreuz wie ich. Wie gesagt: wem nicht nur der Wahrscheinlichkeitssinn fehlt (wie uns allen), sondern zusätzlich auch noch der Wille oder die Fähigkeit, Wahrscheinlichkeiten wenigstens intellektuell logisch einzuordnen, dem oder der ist schwer zu helfen. Bleiben sie (sie, die Frauen, denn sie haben hier scheint’s die Oberhand) halt ungeimpft und sind dennoch geschützt, weil sich am Ende doch genügend Impfwillige finden (bei Masern etwa 95%, bei Corona reichen vermutlich 65% der Bevölkerung). Das wollen wir gerne akzeptieren; es ist schliesslich keine böswillige Dummheit, die zu solcher Aversion gegen wirksame Medizin verführt, es ist die natürliche Dummheit am linken Rand der Gaussschen IQ-Glocke.
Aber zurück zur Aussicht auf die Zeit, wenn Corona vorbei ist. Einige meinen ja, das sei erst und genau dann der Fall, wenn der kollektive Angstzustand überwunden sei. Wenn alle die Masken abziehen, Händchen halten, wieder angstfrei knutschen, sich in Kirchen und Clubs aus voller Kehle anzusingen trauen, wenn alle Plexisglasscheiben zeremoniell entsorgt, alle Stadien, Museen und Massagesalons wieder geöffnet werden. Wenn Bildungsbeauftragte und Lehrer – auch chronischkrankes Risikolehrpersonal – endlich einsehen, dass Kinder des Jahres 2020 wegen Masken und distancing, wegen Halbklassen und e-Learning und vor allem wegen des Hygienefimmels der Schulleitungen (und einiger Eltern) dauerhaft neurotisiert, gehemmt, ja invalidisiert werden und quasi lebensunfähig in die Postcoronawelt entlassen werden und dass das viel schlimmer ist als ein paar tausend tote Alte. Wenn endlich die Mehrheit der Menschheit die Podcasts und Videoclips und Bücher von Leuten wie Professor Bhakdi, dem Ökonomen Homburg, Dr. Bodo Schiffmann, Attila Hildmann und andern prophetischen, von der Corona-Community zumindest selig Gesprochenen, sehen, lesen und glauben.
Das wird allerdings dauern. Bis dahin – und das heisst wohl: bis Pharma und Kapital eine akzeptable Lösung anbieten, gegen gutes Geld natürlich – bleiben wir entmündigt. Und erst noch selbstverschuldet. Hatte Immanuel Kant Corona irgendwie vorhergesehen? Unsere Unmündigkeit, sagte er, sei genau dann selbstverschuldet sei, wenn sie nicht einem Mangel an Verstand entspringe, sondern in einem Mangel an Entschlusskraft und Mut gründe, sich seines Verstandes unabhängig – unabhängig von Regierungsräten, Bundesräten, Bundeskanzlern, Bill Gates, Epidemiologen, den Weltverschwörern im Silicon Valley oder Herrn Söder – zu bedienen. Oder so ähnlich. Heisst das, dass diese Pandemie erst dann endet, wenn wir lernen, uns zu widersetzen? Ja, was soll man dazu sagen? Da bin ich voll dabei: man darf, ja man muss sich widersetzen, widersprechen, protestieren, das Gegenteil behaupten, notfalls argumentelos, einfach aus Prinzip. Vor allem muss man es dürfen. Ich habe auch nichts gegen Hannah Arendts «Kein Mensch hat das Recht, zu gehorchen.» Allerdings vor allem deshalb nicht, weil der vermutlich anders gemeint war, als einige meiner coronakritischen Freunde ihn interpretieren. Stimmt! Niemand hat das Recht zu gehorchen – ohne vorher zu prüfen, welches die Folgen seines Gehorsams sein werden. Unreflektiertes Gehorchen ist nicht nur dumm, sondern verantwortungslos. Nur eben: genau das Gleiche ist es mit dem unüberprüften Nichtgehorchen.
Nein, mir passt die Rede von der «neuen Normalität» auch nicht. Ganz und gar nicht. Solche Sätze lassen in meinem Bauch das pure Misstrauen grummeln. Politikern, die so einen Satz erfinden, traue ich zu, dass sie anderes im Sinn führen als Hilfe beim Überwinden von Hindernissen. Trotzdem glaube ich nicht, dass diese Pandemie genau dann vorbei ist, wenn und nur deshalb, weil wir uns der Obrigkeit widersetzen und keine Angst mehr haben vor dem Virus, sondern dass wir dann keine Angst mehr haben müssen vor diesem Sars-Zeug, wenn wir dem Virus Herr (oder Frau) geworden sind. Weil – soviel Pathos darf sein (oder besser nicht?) – die Klügsten, Cleversten, Kreativsten, Fleissigsten, meinetwegen auch die Geschäftstüchtigsten, es geschafft haben, Wissenschaft und Technik so zu nutzen, dass dem Virus grauslich wird und es verschwindet, zerstört wird, abserviert, ausgerottet, impotentisiert, vernichtet. Und wenn andere – OK, zugegen, jetzt wird’s des Pathos etwas zuviel – hoffentlich dafür gesorgt haben, dass die beschränkte Anzahl Impfdosen dereinst gerecht verteilt wird. Und wenn niemand muss, der nicht will. Bis dahin bleibe ich, ungern, aber ansonsten eigentlich ganz wohl, ein ganz klein wenig anderer Meinung als einige meiner Freunde von der rechten Fraktion. Und wünsche ihnen, dass sie trotz aller Widerspenstigkeit vorsichtig bleiben. Dem Virus ist, so fürchte ich, ein blosser Mangel an Angst und die Überzeugung, dass einige Überbesorgte es viel zu ernst nehmen, nämlich schei**egal. Garantiert!
Richard Altorfer
Comments