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«Siamo troppi!»

Autorenbild: Richard AltorferRichard Altorfer

Aktualisiert: 25. Mai 2021


Am 22. Mai wurde in Venedig die Architektur-Biennale 2021 eröffnet. Thema: «How will we live together?» Der Schweizer Pavillon wagt sich ans Thema «Grenzen». Im deutschen Pavillon blickt man quasi zurück aus dem Jahr 2038, wenn alle städteplanerischen Probleme gelöst sind. Interessant! Das deutsche Kuratorenteam (Arno Brandlhuber) provoziert mit der Prophezeihung, 2038 (das ist kürzer als von 2000 bis heute) werde es kein Einzeleigentum an Boden, also keinen privaten Grundbesitz, mehr geben. Natürlich ist das nicht einfach ein Statement, sondern eine politische Botschaft mit Aufforderungscharakter. Nicht verwunderlich für den buntkulturell dominierten politischen Mainstream Deutschlands. Mal schauen. Erfahrungsgemäss wird sich die Realität am Ende doch anders entwickeln als die Wunschvorstellungen von Weltverbesserern.


Aber die Frage bleibt: Wir werden immer mehr – wie leben wir in Zukunft zusammen? In den nächsten 30 Jahren wird die Weltbevölkerung um etwa 1 Milliarde zunehmen. Wenn Wälder und Felder und Raum für Tiere erhalten bleiben, der Verkehr nicht zunehmen und das Klima so geschützt werden sollen, müssen sich die Menschen stärker in Städten konzentrieren. Verdichtet bauen und wohnen, heisst das Zauberwort. Am besten in neu konzipierten Metropolen, die z.B. CO2 absorbieren statt produzieren und Essen und Energie selber herstellen. Etwa mittels Co-Gardening, Co-Working, Co-Living und Co-Mobility. Klappt das? 1 Milliarde sind 1000 Millionen. Geteilt durch 30 Jahre heisst das: es müssten Jahr für Jahr etwa zehn moderne, möglichst autarke, CO2-neutrale Städte für je 3 Millionen Menschen entstehen. Konkret und anschaulich: während 30 Jahren(!) jeden Monat(!) Städte wie, sagen wir … (im Januar) Athen, (im Februar) Mailand, (im März) Kiew, danach Lissabon, San-Francisco, Berlin, Rom, Caracas, Kuweit, Izmir, Hanoi und (im Dezember) Vancouver. Jahr für Jahr neu.


In den neuen Städten (und mehr und mehr auch in den alten) werden die Menschen auf engem Raum zusammenwohnen, natürlich ohne auf die gängigen Annehmlichkeiten und (allzuviel) Privatsphäre verzichten zu müssen. «Tiny Living» wird zur Normalität. Genau wie Sharing von Besitz und eine neue Genügsamkeit, mehr und näher rückende Nachbarn, auch unangenehme. Und damit steigt, klar, auch die soziale Kontrolle. Oder das Gegenteil (wie die Erfahrung zeigt): Einsamkeit. Je nachdem. Dass in den neuen Städten wegen des Klimas der Energieverbrauch nicht oder nur CO2-neutral ansteigen darf, versteht sich. 20 Grad in der Stube wird zur Pflicht. Realistisch?


Kann man aus den Utopien etwas lernen? Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Planer sich überlegen, wohin mit all den Leuten, der Warnungen der Klimaaktivisten, dass wir auf eine globale Katastrophe zusteuern, sowie der aktuellen Erfahrungen mit Corona? Wenn schon, dann dies – und es macht wenig hoffnungsfroh:

  1. Am Anfang des Übels steht die schiere Zahl an Menschen. Oder wie Vinci, ein Freund aus Italien, es schon vor dreissig Jahren auf seine schlichte, unsentimentale Weise sagte: «Siamo troppi!»

  2. Wenn wir die Zahl der Menschen nicht in den Griff bekommen (und wir werden es kaum, wie auch?!) und all die künftigen Milliarden nicht in sauberen Mega-Cities unterbringen können (oder sie sich nicht dort unterbringen lassen wollen), wird ein Kollaps irgendwelcher Art vermutlich unvermeidlich. Vor der neunten, nach der neunten, spätestens aber nach der zehnten oder der zwölften Milliarde. Wie die Katastrophe dann aussieht, weiss keiner. Sogar die Klimawarner wissen nicht, was den zu vielen Milliarden droht. Vielleicht sind’s Trockenheiten, Missernten, Überschwemmungen, Stürme, vielleicht Migrantenströme, Stromausfälle, vielleicht neue Pandemien oder Kriege mit KI-Waffen. Oder alles zusammen. Ob es etwas bringt, sich, wenn wir den Lauf der Dinge schon nicht verändern können (oder wollen), auf diese Szenarien vorzubereiten?

  3. Und wenn wir nichts verhindern, uns nur vorbereiten können – wer ist «wir»? Alle? Eher nicht. Wenn wir (schon wieder «wir») realistischerweise davon ausgehen, dass wir zwar – vielleicht – die heutigen acht Milliarden, aber nicht auch noch die künftige neunte (und alle weiteren) werden vor was auch immer retten können – sind «wir» dann einfach «die Schweizer»? Oder Europa? Oder «die industrialisierte Welt»? Und wenn wir das unter «wir» verstehen, ist das dann pessimistisch? Egoistisch? Rassistisch? Typisch Weiss? Typisch privilegierte Erste Welt?

Mag sein, nur: Führen uns die Utopien der Städteplaner und die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie mit global rund 10 Millionen Toten nicht exakt vor Augen, was auf uns zukommt? Wie sind die postulierte, kurz bevorstehende Klimakrise und die Corona-Pandemie denn entstanden und wie verlaufen?

  1. Zu viele Menschen, zu wenig Raum; zu viele Viren, zu wenig Abstand

  2. Die Katastrophe war zwar vorhersagbar – und wurde vorhergesagt, wirkte in den unvorbereiteten Gesellschaften aber trotzdem ebenso tödlich wie ungerecht

  3. Hochtechnisierte (nicht nur westliche!) Kulturen haben und hatten massive Vorteile

Nun denn, so wüssten wir also, was zu tun wäre. Konditionalis.


(Anmerkung: Die Beschreibung eines aktuellen und eines eintretenden ungerechten Zustands rechtfertigt nicht seine Ungerechtigkeit, seine Verleugnung allerdings begünstigt seine Eintrittswahrscheinlichkeit.)


Diskussion offen!

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