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Freundes Poeme

PROSIT 2020

(an einen Freund, zum zweiten, als Reaktion auf lyrische Neujahrsgrüsse)

Ja, früher noch, in alten Zeiten,

da war es üblich, wirklich wahr,

dass man in Schrift auf vielen Seiten

Rückblicke hielt aufs alte Jahr!

Gar manche taten es in Prosen

(denn Lyrik ist nicht allen kund:

das geht halt manchmal in die Hosen,

wenn Reime eckig sind statt rund).

Nicht allzu vielen ist’s gelungen

so Silben reimen zum Gedicht,

Wohlklingend wie’s die Alten sungen!

(Denn Pegasus küsst jeden nicht!)

Ja, Verse, Reime, schön gedrechselt,

die sind ein wahrer Ohren-Schmaus.

Doch, ach, wie hat die Zeit gewechselt

direkt zu vieler Ohren Graus!

Wer will denn noch den Wenfall kennen?

Accusativum?: Unbekannt!

Und in der Schule darf man pennen,

wenn Wesfall Genitiv benannt.

Latein? O tempora passata morum!

Das ist per se nicht mehr gefragt!

Sic transit gloria mundorum!

Den Göttern sei es hier geklagt!

Und dann, ja dann, (welch geile* Stunde!), * Entschuldigung für das unanständige Wort

erreichen mich, (welch Hochgenuss!)

so Worte, Zeilen, Reime runde!

Und alles wie aus einem Guss!

Da freuen Jamben und Trochäen

samt Anapäst und Daktylus

(wo kann man das denn noch erspähen???)

des Lesers Herz! Welch Sprachgenuss!

Ja, lieber Freund, mein lieber Dichter,

ich danke Dir aus voller Brust

für Deine Post voll Lyrik-Lichter: Ja, Freude herrscht, dank Dichter-Lust!

Kaiseraugst, 6. Januar 2020 / ef



*****




CUI BONO?

Cui bono? – So war Freundes Frage:

Wie steht man zur Literatur?

Das Bücher-Lesen, so die „Klage“,

das sei vorbei! – Sarkasmus pur!

Von Aristophanes, dem Griechen,

sein köstlich Schuster Aiolos

sei nur noch was für dumme „Siechen“!

Ist das der Neuzeit Obolos?

Wie der Vesuv vor vielen Jahren

verschlang den Vater Plinius:

Mit Lesen könnte man’s erfahren

beim Jüngeren, dem Filius;

dank Legionen und Fanfaren

(im „bello gallico“ steht’s drin)

vom grossen Julischen Cäsaren

geht Vercingetorix dahin…

Ob Römer oder alte Griechen:

Wen int‘ressiert das heute noch?

In Büchern schmökern? Texte riechen?

Das wär‘ der Schule heut‘ ein Joch!

Geschichten wie von P. O. Runge:

Vom „Mantje Mantje Timpe Te“?

Belasten heute Herz und Lunge.

Doch lesen? Plattdeutsch? Ganz klar: Nee!

Und Schillers Ode an die Freude?

Die Kraniche des Ibykus?

Auf dass man nicht die Zeit vergeude

Mit solchem Literaten Stuss!

Die Frau von Stein, genannt Charlotte?

Von Goethe, diesem Genius?

Und die von Weimar, dito Lotte,

Vom Dichter Mann Thomasius?

Vom Maxi Frisch ein Homo Faber?

Vom Dürrenmatt der Meteor?

Das ist doch alles nur Geschwaber!

O gloria in Excelsior?

Ob Gotthelf, oder C.F. Meyer

ob Muschg, ob Bärfuss, C. G. Jung?

ob Hemingway, ob Biedermeier?

Es bleibt nur die Erinnerung!

Ja, Herrgott, wer liest heut noch Bücher?

Wer tut sich das denn heut‘ noch an?

Für manche sind das rote Tücher!

Zum Scheiterhaufen geht’s, wohlan!

Und doch, es bleibt die Hoffnung offen,

ein Lichtblick bietet sich doch an

und lässt den Schreiber wieder hoffen:

Es wär ja wahrlich fast der Wahn:

Viel junge Menschen (ja, von heute),

(zur Freude gar und nicht zum Fluch)

tatsächlich viele junge Leute

die lesen wieder Buch für Buch!

Und sei es nur der Harry Potter;

das ist doch schon was, immerhin,

und sicher ganz bestimmt viel flotter

als nur der Blick im Handy drin!

Kaiseraugst, 8. Januar 2020 / ef


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