So ist es, wenn ein wenig geliebter, von Vielen gar gehasster, von den meisten inzwischen aber respektierter, erzrationaler Mediziner und Gesundheitsminister emotional wird: Er wird glaubwürdiger.
Karl Lauterbach. Er ist das deutsche Gesicht der Coronabekämpfer und das Feindbild der Coronaleugner. Man mag ihn mögen oder nicht (man wird ihn bestimmt weniger mögen, wenn Corona dereinst vorbei ist und andere Probleme des Gesundheitswesens wieder in den Vordergrund treten), aber er hat Profil und Respekt gewonnen in diesen zwei Jahren. Und ist zurecht deutscher Gesundheitsminister geworden. Er hat Klartext geredet, niemandem zuliebe Fakten schöngeredet, er hat meistens recht gehabt, er kannte die wichtigsten Studien und natürlich alle wichtigen «Forscherkollegen an der Harvard-University» (das hat er bei jeder Gelegenheit betont, so oft, dass «die Harvard-Universität» ebenso wie sein «etwas anderes geben die Studien nicht her» zu running gags und Comedian-Stoff wurden).
Er, der spröde, rationale, schon äusserlich jeglicher Lust abholde, nur hin und wieder einen ansonsten gut versteckten Schalk aufblitzen lassende Talk-Show-Dauergast, hat sich in seiner Weihnachtsansprache an jene Leute im Gesundheitswesen gewandt, die keine Zeit haben für Weihnachten. An jene Ärzte und Pflegenden, die sich Tag für Tag um das Leben jener bemühen, für die es die Krankheit, deretwegen sie arbeiten bis zur Erschöpfung, gar nicht gibt und sich aus den irrwitzigsten Gründen und ums Verrecken nicht impfen lassen wollen. Einige nennen seine Ansprache emotional. Ist sie wohl auch deshalb, weil sie so lauterbachsch-unprätentiös daher kommt.
Wir könnten einen wie ihn zumindest für die Zeit der Corona-Krise gut auch in der Schweiz gebrauchen. Stattdessen haben wir – wenn auch in anderer Funktion – Leute wie Herrn Berger (EKIF) und einen Gesundheitsminister, der uns seit Monaten erklärt, warum man in der Schweiz rumirre zwischen Nichtstun und Abwarten, zwischen Hoffen und verstohlenem, ungern preisgegebenem Wissen um mathematische und biologische Zwangsläufigkeiten, um am Ende – zwangsläufig zu spät – halt doch reagieren zu müssen. «Entscheidend sind die Kapazitäten in den Spitälern», hört man Herrn Berset sagen. Und vermisst die furztrockenen Gefühlswallungen eines Herrn Lauterbach, dem man abnimmt, dass er nicht (nur) in Kapazitäten denkt, sondern auch in Kategorien der Arbeitsbelastung von Menschen. Und vielleicht sogar in (viel zu häufig vermeidbarem) Leiden von um ihr Leben Atmenden, Sterbenden oder Verstorbenen – und deren Angehörigen.
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